Der fliegende Teppich

Jener lang ersehnte Freitag beginnt mit einem Donnergrollen. Mein schlauer Wecker hat einen besonderen Weckton, ich mag das Geräusch. Draußen, es ist schon halb 7, ist es hell und es scheint ein schöner Tag zu werden. Was kann also schief gehen? Nichts, bei so einem Start.

Ich bin voller Energie und los gehts mit den letzten Erledigungen: Ab unter die Dusche. Dann das Handgepäck nochmal durchgehen, Wegzehrung richten, das übliche eben. Dann warten. Der DHL-Bote soll doch den Akku bringen. Aber auch um 10 nach 10 ist der nicht da, und da ich mich letztens verkuckt habe, muss ich jetzt auch aufbrechen. Es gibt schlimmeres, ein wenig ärgert es mich, aber was solls. Kein Weltuntergang. Im schlimmsten Falle geht mein Handy eben leer und ich kann nicht mehr auf die Uhr schauen auf dem Flug. Oder Bilder machen, aber die einzige Kamera hab ich nicht, also auch kein Beinbruch.

Von Bielefeld aus soll mich ein ICE nach Köln bringen, von da aus ist vorhergesehen dass ich einen IC nach Mainz nehme und von da dann noch einen IC nach Frankfurt Flughafen. Geplante Ankunftszeit: 15.15Uhr. Warum ich den Konjunktiv so betone: Ich kenne die Bahn. Irgendwas hat da immer Verspätung, und ich habe extra drei Stunden Zeitpuffer eingeplant. Um 20.00 Uhr soll das Flugzeug starten, zwei Stunden vorher soll man da sein. Da kann also schonmal nichts schiefgehen.

Außer – die Bahn. Kurz vor Köln die Durchsage: Der Anschlusszug in Köln hat über 30 Minuten Verspätung. Je nachdem wohin man möchte, gibt es wirre durchsagen. Ich frage einen  Zugbegleiter: Ich solle doch einfach schon in Köln Messe Deutz in den nächsten ICE auf Gleis 11 umsteigen, der bringt mich auch hin. Okidoki!, denke ich mir, ICE klingt schnell. Und ist es auch: ich war über eine Stunde zu früh da. Cool. Zum Glück Oma und Opa sowie meine beiden Onkels, die zur Verabschiedung mitgefahren sind, auch schon. Der Rest trudelt etwa eine Stunde später ein. Nach einer weiteren Stunde dürfen wir unser Gepäck aufgeben und haben Zeit, uns am Flughafen zu vergnügen. Zu fünft ist das sogar nichtmal schlimm. Immer darauf achten, dass alle Schäfchen zusammenbleiben. Das beschäftigt schon gut.

Ach ja, und Roman wurde bei der Handgepäckkontrolle nochmal rausgezogen und durfte aufmachen: Da sähe was aus wie Flüssigkeit. Nachher war es Marzipan. Ich glaube ja, sie haben Flüssigkeit gesagt, meinten aber Sprengstoff. Passt viel besser zur Form und Konsistenz. Ich habe übrigens vergessen meine Kontaktlinsen (stimmt, da ist Flüssigkeit drin), in den durchsichtigen Beutel zu packen. Da hat keiner gemeckert.

Und als wir dann unser Gate gefunden hatten, da sahen wir ihn endlich. Den fliegenden Teppich.

Der Rote Teppich

Ich muss ehrlich gestehen: Ob das unter seinem Namen aufgemahlte Zähne darstellen sollen oder ob das Kratzer oder Hebel waren, war durchaus Gegenstand unserer Diskussion, aber wir werden es vielleicht nie mit Gewissheit sagen können.

Zwölf Stunden in einem Flieger ohne nennenswerte Beinfreiheit eingesperrt zu sein, ist anstrengend. Immerhin war ich am Fenster.

Fenster

Und es gab eine wirklich große Auswahl an Filmen, Musik, Fernsehsendern und so weiter. Es gab auch zwei Kameras, die den Blick nach unten oder vorne zeigten. Im Dunkeln und überm Meer nur leider eher uninteressant. Und man konnte die Flugroute verfolgen.

Flugroute

Sogar das Essen war OK. Nur dass wir bis um zehn warten mussten, da es vorher zu turbulent war und die Crew nichts austeilen durfte. An Schlafen im eigentlichen Sinne war leider auch nicht wirklich zu denken. Aber immerhin hat die Crew dafür gesorgt, dass man so oft Wasser bekommen hat wie man wollte (habe da auch schon anderes erlebt).

Nach dem Frühstück am nächsten „Morgen“ – Ortszeit Sao Paulo irgendwas um 5 Uhr früh, was etwa 8 Uhr deutscher Zeit entspricht – konnten wir es kaum erwarten, endlich unseren roten Teppich verlassen zu dürfen. So ein Transit-Terminal am frühen Morgen ist jedoch auch keine spannende Sache, weshalb wir die zwei Stunden Umstiegszeit so verbrachten:

Warten

Da fanden wir heraus, dass auch andere Flugzeuge der Flotte von TAM, der brasilianischen Airlines, als Teppiche gelten.

Der zweite Teppich

Weitere acht Stunden später (nach ungefähr zwei Stunden warten, vier Stunden Flug und zwei Stunden Rumgehampel bei der Einreise nach Chile wegen fehlendem Durchschlag bei Dokumenten, Zollbeamtinnen die sich anstellen und plötzlich nichtmal mehr Englisch verstehen, ewigen Warteschlangen), stehen wir alle müde auf chilenischem Boden. Und tatsächlich: Daniela wartet schon auf uns und empfängt uns mit Blumen direkt am Flughafen, zusammen mit ihrer Mutter, die wir jetzt das erste Mal treffen. Die (Wiedersehens-) Freude ist riesig, vor allem natürlich für Daniela und meinen Bruder, die sich über zwei Monate nicht gesehen haben.
Nach kurzem Überlegen verhandelt Daniela mit einem Taxifahrer so weit, dass er uns alle zusammen für einen annehmbaren Preis direkt zum Hotel fährt, da die Metro defekt ist und Bus fahren plus 6 Straßenblocks laufen nicht mehr ganz so das ist, was wir heute wollen.

Hier noch ein Bild von dem kleinen Appartment, in dem wir jetzt erstmal wohnen. Und natürlich auch von uns Müden Reisenden:

(von links nach rechts: Oma, Roman, Daniela, Rosa – Danielas Mutter, Opa. Wer fehlt: Ich und Mama, aber eine musste fotografieren und die andere war zu müde ins Bild zu laufen. Ein komplettes Gruppenbild holen wir aber noch nach)

Die Reisenden

Das Fazit des ganzen kann ich euch aber nicht verschweigen: Ich brauche einen anderen Weckton. Donnergrollen ist vielleicht doch nicht ganz das Wahre. Vielleicht ab jetzt Vogelgezwitscher?