Archiv für den Monat: November 2014

Santiago de Chile

Zuerst einmal die Kurzversion (ich weiß doch, dass es einige gibt die lieber Bilder gucken und nicht so viel lesen):
Samstag: Hotel, Mayo, Jetlag, Brot, Pläne, geänderte Pläne, Geister, Oldtimer, Brautpaare, Essen. Wem das reicht, der kann weiter zu den Bildern gehen.
Sonntag: Frühstück, Fisch- und Fleisch-Markt, Gemüse- und Obst-Markt, Fluss, Weinachtsmode, Steakhouse, Papa frites, Cerro San Cristóbal, Standseilbahn, Lama, Maria, Erdbeben, Berge.
Montag: Frühstück, Bombenalarm, Taschendiebe, Estacion Central, Kopfbahnhof, Weihnachtsbaum und Weihnachtsmann, Busbahnhof, Präsidentenpalast, Tio Bernardo.

Für alle anderen hier die längere Version:
Samstag:
Nach unserer Ankunft im Hotel sind wir geschafft. Wir verteilen uns auf zwei kleine Appartements und jeder sucht sich ein Bettchen raus. Rosa und Daniela zaubern währenddessen für uns ein Mittagessen aus mit Thunfisch gefüllten Tomaten mit Mayo-Topping, garniert mit Avocado-Stücken. Sehr lecker. Zu Mayo im Zusammenhang mit Chile ist vielleicht schon jetzt zu erwähnen: Hier wird das eigentlich überall dazu gegessen. Zu Fleisch, zu Wurst, zu Fisch, zu Salat, zu Hotdogs, zu allem.

Santiago vom 8. Stock aus:
Blick Hotelzimmer

Nach dem Essen gehen wir das nötigste für den nächsten Morgen einkaufen, also Wasser und Joghurt und Butter und Brot und Milch und Wurst und Käse. Hier gibt es nur Weißbrot. Und, zumindest laut den Infos hier, ist Chile im weltweiten Brotkonsum direkt hinter Deutschland, oder sogar an erster Stelle. Es gibt tatsächlich Bäckereien an jeder Ecke. Alles sehr süß und sehr weiß. Ich verabschiede mich von meinem Plan, in Chile mein Gewicht wenigstens zu halten. Es gibt auch schon einen passenden neuen Plan: wir wollen Abends unsere Ankunft zur Genüge feiern und Essen gehen.

Bis es so weit ist wollen uns alle ein Stündchen erholen. Ich als erfahrene Reisende weiß nämlich genau, wie man einen Jetlag nicht kuriert: mit tiefem Schlaf mitten am Tag im Urlaubsland. Das macht’s nur noch schlimmer. Glaubt mir, ich weiß wovon ich rede. Also jetzt wirklich nur ausruhen und entspannen. Ich nutze die Zeit, den vorigen Blog-Eintrag zu schreiben. Positiv: Die Zimmer haben WLAN, und ihr könnt tatsächlich lesen was ich schreibe.

Abends machen sich (fast) alle soweit loszugehen. Allerdings schlafen Oma und Opa tief und fest und sind nicht wach zu kriegen. Ich habe mein Bett im „Wohnzimmer“ und weiß jetzt schon, wie meine Nacht aussehen wird. Aber mit Essen gehen wird das jetzt erstmal trotzdem nichts. Plan B: Daniela, Roman, Rosa und ich ziehen, für uns alle was zum Essen zu holen. Wir stromern ein wenig durch die Gegend, und finden direkt hinter dem Hotel eine hübsche Gasse, wo uns zwei Brautpaare entgegenkommen. Daneben steht ein Oldtimer, in den eines der Paare hineinklettert und sich fotografieren lässt. Zuerst von einem professionellen Fotografen, dann von uns Touris und ein paar anderen Schaulustigen. Braut und Bräutigam winken brav, und er ist so angetan von uns, dass er sein Handy aus der Tasche zieht und uns ebenfalls fotografiert. Wir wünschen ihnen in verschiedensten Sprachen alles Gute und viel Glück und sie tuckern mit dem Oldtimer davon, indem jetzt auch ein Chauffeur sitzt. Leider habe ich erst jetzt im Nachhinein festgestellt, dass das Bild nicht ganz scharf geworden ist, aber hier ist es trotzdem:

Hochzeitspaar

Wir entdecken weiter, finden die Metro-Station, eine schöne Kirche in der gerade ein Gottesdienst abgehalten wird und aus der wir uns schnell wieder verkrümeln, weil wir nicht stören wollen. Und ein belebtes Zentrum mit einigen Schnell-Restaurants und sonstigen Läden. Da es nirgends mehr etwas offensichtlich zum Mitnehmen gibt, also die typischen Straßenstände und Hotdog-Karren, gehen wir in ein kleines Restaurant, bzw um eine richtige Vorstellung zu vermitteln würden wir eher ein „Diner“ drunter verstehen. Daniela fragt für uns alle ob man etwas mitnehmen kann, und nach ein paar Verhandlungen darüber, was wir jetzt denn mitnehmen, entscheiden wir uns für ein Fleischgericht in dreifacher Ausführung, damit wir auch alle satt werden. Rindfleisch, zusammen mit einer Art Kraut und einer Soße. Obendrauf soll ein Spiegelei sein, dazu Pommes oder Reis. Die netten Menschen haben es uns direkt klein geschnitten und in Styropor-Boxen gelegt, so dass wir es auch gleich mitnehmen können. Beim Preis gab es dann noch eine kurze Verwunderung, denn hier wird auf die Rechnung immer noch per Hand 10% Bedienungsgeld aufgerechnet und per Hand draufgekritzelt. Die Preise sind übrigens zwar günstiger als in Deutschland, aber immer noch nicht billig wie sich das mancher vielleicht vorstellt wenn er an Chile denkt. Bisher habe ich das Gefühl, dass gerade Lebensmittel und so weiter ca. 20% günster sind als bei uns. Beim Hotelzimmer ist das schon anders, und auch das Taxi war wesentlich günstiger als man es in Deutschland je bekommen würde.

Zurück zu unserer Aufgabe, der Essensbeschaffung: Wir haben sie erfüllt und machen uns auf den Rückweg. Auf dem Weg finden wir noch einen kleinen Laden der Empanadas verkauft, etwa Handgroße mit Hackfleisch gefüllte Teigtaschen. Wir nehmen da auch noch zwei mit.

Zurück im Hotel ist zumindest Oma wieder wach und wir machen uns ans Essen. Opa schläft weiterhin wie ein Stein. Es schmeckt allen und wir werden satt und kurz danach, es ist inzwischen so etwa abends um halb 10, gehen wir alle ins Bett.

Um Punkt Mitternacht werde ich davon wach, dass jemand das Licht im Wohnzimmer anmacht. Opa setzt sich seelenruhig an den Tisch, ein Kreuzworträtselheft in der Hand. Als ich ein verschlafenes „Guten Morgen“ von mir gebe, erschrickt er. Dazu ist vielleicht zu sagen, dass ich ursprünglich im anderen Zimmer oben auf dem Stockbett schlafen wollte, aber wegen der weichen Matratzen nicht in der Lage war, hochzuklettern (ich konnte mich nirgends abstützen). Ich sage ihm, er soll ruhig weiterlesen, drehe mich um und schlafe weiter. Ein paar Stunden später geistert er wieder rum. Ich weiß nicht ob er zwischendrin überhaupt geschlafen hat. Ich habs ihm ja gesagt. Nur ob er zugehört bzw. es sich gemerkt hat, das ist die andere Frage.

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Sonntag:

Jetzt beginnt der Sonntag auch für den Rest von uns. Als ich aufwache ist Opa weg, irgendwohin spazieren gegangen ohne jemandem Bescheid zu sagen. Aber sowas ist ihm zuzutrauen, und wir sorgen uns auch nicht. Zurecht, denn ein paar Minuten später ist er schon wieder da. Er zaubert auch gleich Rührei mit gebratenem Schinken, wunderbar! Und wir haben ja Brot, Marmelade aus dem Flugzeug, Butter, alles was man sich wünschen kann. Ein tolles Frühstück.

Markthalle

Bald geht es los, wir gehen zur Markthalle. Dort gibt es frischen Fisch und Fleisch. Über eine kleine Brücke über den Fluss (Rio Mapocho) geht es zu einer weiteren Markthalle, diese ist jedoch offener. Und hier gibt es alles erdenkliche Obst und Gemüse. Ein Traum. Die größten Erbeeren die ich je gesehen habe. Zucchini werden hier dreimal so groß verkauft wie bei uns. An einem Stand, der frisch gemixte Erfrischungsgetränke verkauft, holt Daniela uns einen Erdbeersmoothie und ein Getränk, bei dem Nüsse, Banane, Pfirsich und diverse andere Sachen in Milch vermixt wurden. Super Süß, da mit etwas Süßstoff versehen, aber super sättigend und exrem lecker. Ich habe im Übrigen den Eindruck, dass viele Chilenen keinen Zucker sondern Süßstoff bevorzugen.

Fischhalle

Obst und Gemüse

Gestärkt für den weitern Weg geht es weiter. Mama und ich entschließen uns, uns kurzfristig von den anderen zu trennen um eine architektonisch interessante Kirche zu fotografieren, die wir schon von weitem gesehen haben.

Kirche

Auf dem Rückweg zu den anderen fällt uns eine für unsere Verhältnisse ungewöhnliche Werbung für Weihnachtsmode auf:

Weihnachtsmode

Die Bäume stehen hier übrigens in bühendster Pracht: Sie blühen in allen Farben, dominant ist aber vor allem Lila und rot. Überhaupt gibt es hier viel grün. Ich hatte erwartet, in ein staubtrockenes Wüstenland zu kommen.

Blütenpracht

Nachdem wir genug vom Markt und ein paar wenige Einkäufe getätigt haben geht es wieder mit der Metro weiter in Richtung eines anderen Touristischen Highlights: Dem Cerro San Cristóbal. Das ist ein Berg, auf dessen Spitze majestätisch eine Marienfigur schützend ihre Hände über Santiago hält. Hinauf kommt man entweder zu Fuß, mit dem Fahrrad, dem Auto, oder mit einer Standseilbahn.

Zuerst jedoch müssen wir dahin kommen, denn die nächste Metro-Station ist etwa einen Kilometer entfernt, und es würde zwar ein Bus fahren, aber wir finden nicht heraus welcher das ist, wo er fährt oder wann. Also laufen wir.

Wie ich glaube ich bereits erwähnt habe, ist mein Opa nicht mehr so gut zu Fuß. Also machen wir auf etwa halber Strecke Halt und finden ein Steakhouse, das uns optisch gefällt und bei dem der Kellner nett aussieht. Und, das wichtigste zumindst für meinen Opa, wo es Bier gibt. Also essen wir ausgiebig, es gibt Gerichte für zwei Personen die wir uns so bringen lassen, dass jeder einfach davon essen kann worauf er Lust hat. Es gibt knusprige Chicken Wings, Spieße, Rindfleisch, Schweinefleisch, Pute, und natürlich diverse Salsas. Dazu Pommes, „Papa frites“, Nachos, Brot und Salat. Sehr lecker. Nicht unbedingt typisch Chilenische Küche, aber wir sind satt und wieder ausnahmslos alle gut drauf. Opa hat sein Bier und somit kann ihn nichts mehr unterkriegen. Er beschwert sich nur ein bisschen dass er nicht das günstigste bekommen hat. Das liegt, muss man vielleicht auch erwähnen, daran, dass er nicht das günstigste bestellt hat. Denn der Kellner versteht ja kein Deutsch.

Steakhouse

Gestärkt geht es weiter zur „Funicular“, der Standseilbahn. Direkt davor sehe ich mein erstes Chilenisches Lama. Aber der Besitzer will Geld für Fotos, also verkneife ich mir das an dieser Stelle. Unsere Reise soll uns später noch in die Atacama-Wüste führen, wo Fotos nichts kosten sollten. Das Stationsgebäude ist schon ein Highligt, und die Fahrt bietet eine unglaubliche Aussicht auf die Stadt und die Anden.

Standseilbahn

Es ist leider etwas dunstig, so dass wir nur die Ausläufer in direkter Nähe sehen. Zur Marienstatue ist es noch ein paar Stufen weiter nach oben, aber die lohnen.

Aussicht Santiago

Maria und ich

Oben gibt es auch ein kleines Häuschen in dem Postkarten und andere Souvenirs verkauft werden. Der Inhaber ist total witzig und freut sich, mit ein paar Worten Deutsch und gutem Englisch angeben zu können. Er unterhält sich angeregt mit Mama über Santiago und dies und das. Er lacht darüber, dass ich gerade mal zwei Worte Spanisch herausbekomme, und ich erkläre ihm auf Englisch, dass leider nur die schmutzigen hängen geblieben sind die ich hier nicht sagen kann. Kurz danach fahren wir dann wieder runter und begeben uns auf den Heimweg, inzwischen ist es schon nach 6. Hier wird es erst spät dunkel, was ich klasse finde, aber was mich ein wenig zeitlos macht.

Abends wird gevespert, alle zusammen sitzen wir. Als plötzlich der Tisch wackelt. Und eigentlich auch der Stuhl und der Boden. Nur ein Bisschen. Im ersten Moment fühlt es sich an wie wenn jemand mit dem Bein am Tisch wackelt. Aber es dauert zu lange, und keiner bewegt sich. Das kleine Kind in mir freut sich – endlich ein richtiges Erdbeben, das wollte ich schon immer mal wissen wie sich das anfühlt – denn der möglichen Gefahr bin ich mir im ersten Moment nicht bewusst. Rosa ist gefasster und meint, ob wir runter auf die Straße gehen sollen? Dann hört es auf. Alles ist vorbei und es gibt auch keine für uns spürbaren Nachbeben. Ich finds super. Die anderen sind glaube ich ein wenig besorgt. Am nächsten Morgen erzählt Daniela, dass das Epizentrum 50km nördlich von Santiago und in etwa 90km Tiefe lag. Stärke: 4,7. Also nichts schlimmes. Keine Tsunamis, keine Zerstörung, nichtmal das Geschirr im Schrank hat geklirrt. Ganz normal in Chile.

Als Ausgleich werden wir jedoch bei Sonnenuntergang mit einem herrlichen Blick auf die Anden belohnt, und man sieht endlich auch mal ein wenig weiter. Sogar die schneebedeckten Gipfel.

Anden

Alle sind müde von der Hitze, dem Gedränge, dem vielen Laufen, und die Nacht ist ruhig. Ich glaube der Jetlag ist bei allen so gut wie überwunden.

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Montag:

Zum montaglichen Frühstück zaubert Opa perfekt gekochte Eier: das Gelbe ist flüssig-Cremig. Und das übliche: Brot mit allem möglichen. Wir wollen uns heute den Hauptbahnhof von Santiago anschauen, denn dort fahren auch die Fernreisebusse die uns nach unserem Abstecher in den Süden weiter nach Norden und letztendlich nach Antofagasta, Danielas Heimatstatt, bringen. In der Metro ist es heute deutlich voller und gedrängter als gestern. Und eine Station bevor wir aussteigen wollen, werden wir plötzlich alle aus der Bahn beordert. Bombenalarm, wie sich nachher rausstellt, aber sie lassen uns auch sofort wieder rein weil die Drohung wohl für eine andere Linie war, oder sonst ein Missverständnis. Auf jeden Fall ärgern sich auch die Sicherheitsleute. Wir wollen gerade wieder einsteigen, als Roman uns wieder rauswinkt. Daniela wurde in dem geschubse ausgeraubt. Ihr Geldbeutel wurde gestohlen, direkt aus ihrer Umhängetasche heraus, den sie eigentlich immer im Blick hat. Die Security ist davon nur milde beeindruckt. Für Daniela endet der Ausflugstag hier. Sie und ihre Mutter fahren zurück um so schnell wie möglich alle Karten sperren zu lassen. Und Führerstein und Ausweis müssen ja auch wieder her. Morgen sollen wir schließlich in den Süden nach Puerto Montt fliegen. Zum Glück arbeitet Danielas Onkel Bernardo beim Amt, in dem Bereich den man bei uns mit dem Bürgeramt vergleichen würde. Somit sind die Ausweise erstmal kein Problem, bzw bis zu ihrem Rückflug mit uns nach Deutschland hat sie zum Glück noch ihren Pass. Den Führerschein bekommt sie erst in Antofagasta.

Wir fahren währenddessen weiter zur Estacion Central. Zuerst denke ich, dass das ein recht kleiner Bahnhof ist. Es gibt nur 6 Gleise und ist, wie Stuttgart, ein Kopfbahnhof. Nur eben, ohne Baustellen und Proteste. Und ich glaube, in Santiago gibt es auch keine Pläne, das zu ändern. Was mir wieder als etwas seltsam vorkommt, ist der große Weihnachtsbaum, der direkt vor dem Bahnhofsgebäude aufgebaut ist. Und innen drinnen sitzt auf einem Schlitten mit Rehntieren ein Weihnachtsmann mit Rauschebart und Mütze, Handschuhen und roter Kutte. Zum Glück ist es vergleichsweise kühl hier im Schatten, aber er tut mir trotzdem Leid. Er sitzt da und bimmelt mit einem Glöckchen, und eine Weihnachtsfrau in kurzem Minirock steht davor und versucht, weihnachtliche Stimmung zu verbreiten. Ich finde mich mit meiner Mutter in einer Diskussion, ob der Weihnachtsbaum unecht ist (er sieht für mich zumindest so aus und ich finde ihn auch nicht schön), und wenn ja, ob es dann nicht besser gewesen wäre, einfach eine Palme zu schmücken. Ich bin der Meinung, ganz eindeutig ja – Mama findet den Baum schön und findet nein, man schmückt keine Palmen, sowas tut man nicht. Jeder darf ja zum Glück seine Meinung haben, und die Santiagoer haben sich entschieden.

Hauptbahnhof

Soweit zum ersten Blick. Nach links und rechts von der Haupthalle geht es auch zu ein paar kleinen Läden, so scheint es. Roman, der hier ja schon war und sich auskennt, führt uns mit einem kleinen Grinsen zu den Läden rechts, und wir stellen fest, dass da eine richtige, große Einkaufsmeile ist. Da gibt es viele kleine Läden, aber auch große Lebensmittelläden, kleine Eisstände, viele Schuhläden (da gibt’s echt schöne, glaubt mir) und eben alles, was das Herz begehrt. Es ist auch ordentlich was los, trotz dem, dass Montag ist und so früh am Morgen. Roman zeigt uns außerdem den Busbahnhof, der sich im 1. OG befindet. Ja, richtig, Obergeschoss. Über den Läden parken dutzende von Bussen an Haltestegen, Nah- und Fernverkehr, und da oben sind auch die Schalter wo man Fahrkarten bekommt. Und wir finden außerdem etwas, nachdem wir auch suchen.

Da wir für Danielas Familie ein paar Gastgeschenke mitgebracht haben – Württembergischen Wein, Marzipan, Deutsche Schokolade, Lebkuchen, Dominosteine, und ein paar andere Sachen, die es so nicht in Chile gibt – wollen wir diese da abgeben, damit wir sie nicht in den Süden mitnehmen müssen, wo die eh keiner gebrauchen kann und wir nur unnötig schleppen müssen. Wir erkundigen uns über Preise und wie das abläuft. 1000 Pesos pro Tag pro Gepäckstück klingt annehmbar. Das sind knappe 1,40 Euro pro Tag. Danach suchen wir eine kleine Kneipe, da wir alle Durst haben. Opa bestellt sich eine Cerveza, Oma, Mama, Roman und ich bestellen uns einen Eiskaffe.

Gestärkt geht es wieder in die Metro für zwei Stationen, jeder wacht mit Argusaugen auf sein eigenes und das Gepäck der anderen. Jede Bewegung der anderen Menschen macht uns misstrauisch. Wir wollen weiter zum Präsidentenpalast, dem Palacio de la Moneda und der Plaza de la Constitución. Da ist jedoch ein riesen-Event, ich verstehe leider nicht was für eines, so dass die Menschenmenge gewaltig ist. Zum Glück auf der Rückseite des Palastes, wir schlagen uns zur Vorderseite durch und bekommen dort auch ein fast freies Bild geknipst. Rein gehen wir nicht, dafür sind wir zu geschafft. Zu viele Menschen, zu viel Gedränge, zu viel Hitze. Es ist wirklich verdammt heiß und auch schwül. Über den Anden brauen sich sogar Regenwolken zusammen. Es ist auch schon Nachmittag, für jeden vernünftigen Touristen also Siesta-Zeit. Zu guter letzt habe ich meine Schulter nicht richtig eingecremt, und merke jetzt schon, dass ich einen Streifen gut durchgebratener Haut mit mir rumtrage.

La Moneda

Da es nicht weit ist, und zwischen den ganzen Wolkenkratzern auch viel Schatten ist, laufen wir zurück zum Hotel. Auf dem Weg holt Roman bei einem Straßenhändler eine Lilie für Daniela, und Mama und ich holen uns Sonnenhüte. Wir landen in einer Fußgängerzone, die fast so ist wie man sie aus Stuttgart oder Bielefeld kennt. Ich fühle mich direkt wohl, und hoffe, wir haben am Ende der Reise nochmal etwas Zeit zum Shoppen in Santiago. Und wir wollen ja auch noch zur Santa Lucia, einem anderen Berg mit einer Kirche, und noch einige andere Sachen. Ich glaube allein in Santiago könnten wir zwei Wochen verbringen. Fürs erste jedoch ist das heute der letzte Tag hier.

Zurück im Hotel wollen wir wissen wie es Daniela ergangen ist. Sie und Rosa sind aber noch nicht zurück, und wir erholen uns von der drückenden Hitze im einigermaßen kühlen Hotel-Zimmer und packen das zusammen, was nicht mit nach Puerto Montt muss. Nachmittags fahren wir zu dritt noch einmal zum Bahnhof, Oma und Opa sind zusammen unterwegs in der Gegend, Daniela und Rosa waren zwischendrin kurz da sind aber jetzt auf zur Bank, die auch in der Nähe vom La Moneda ist. Wir geben unser überschüssiges Gepäck ab, der Mann am Schalter will uns die 10 Tage die wir weg sind als 11 verkaufen, weil heute zählt ja auch mit. Wir handeln etwas mit ihm, und schließlich ist er auch mit den 20.000 CLP zufrieden, die wir ihm für die zwei kleinen Koffer geben.

Danach fahren wir zurück, Rosa und Daniela sind auch wieder da, und wir schauen uns mal das Dach des Hotels an. Dort soll es nämlich angeblich einen Pool geben. Den gibt es auch, aber er ist leer. Es ist halt noch zu kalt für Santiagoische Verhältnisse. Da schwimmt man noch nicht. Aber die Aussicht ist super. Es hat sich also doch gelohnt, die paar Stufen hochzulaufen.

Schwimmen auf dem Dach

Aussicht vom 13. Stock

Rosa und Daniela zaubern wieder unser Abendessen: Püree mit Hähnchen und Mayo, dazu Tomaten-Salat mit grünem Salat, alles fein säuberlich zerkleinert. Lecker. Opa ist nicht so überzeugt davon, weil es keine Pilz-Soße dazu gibt, aber er wird sich schon noch an die Küche gewöhnen. Er verspricht auch, sobald wir im Süden sind, den Chilenen zu zeigen wie man richtig kocht, und lacht.

Abends duschen wir und machen uns gerade bettfertig, als es klopft. Roman ist da, und lädt uns ein, Tio Bernardo, Danielas Onkel väterlicherseits, kennenzulernen. Der, der ihr schon mit ihren gestohlenen Dokumenten geholfen hat. Er wohnt und arbeitet bereits seit 40 Jahren in Santiago. Er ist 56, sieht höchstens aus wie 46, und ist ziemlich sportlich. Er lacht gerne, es interessiert ihn nicht, dass wir ihn nicht verstehen, und lässt das nötigste von Daniela übersetzen. Er hat uns chilenischen Wein, chilenisches Bier nach deutscher Brauart (Kunstmann), und Pisco Sour, den nationalen Schnaps, mitgebracht. Wir stoßen an, er erzählt von sich, wir erzählen von uns, es ist toll und wir amüsieren uns. Er muss jedoch bald gehen, da in Chile die arbeitszeiten sehr lang sind und er immer sehr früh aufstehen muss. Schade. Tio Bernardo ist auf jeden Fall gute Unterhaltung.

Und so, gut gelaunt, endet auch Tag 3 für uns.

Der fliegende Teppich

Jener lang ersehnte Freitag beginnt mit einem Donnergrollen. Mein schlauer Wecker hat einen besonderen Weckton, ich mag das Geräusch. Draußen, es ist schon halb 7, ist es hell und es scheint ein schöner Tag zu werden. Was kann also schief gehen? Nichts, bei so einem Start.

Ich bin voller Energie und los gehts mit den letzten Erledigungen: Ab unter die Dusche. Dann das Handgepäck nochmal durchgehen, Wegzehrung richten, das übliche eben. Dann warten. Der DHL-Bote soll doch den Akku bringen. Aber auch um 10 nach 10 ist der nicht da, und da ich mich letztens verkuckt habe, muss ich jetzt auch aufbrechen. Es gibt schlimmeres, ein wenig ärgert es mich, aber was solls. Kein Weltuntergang. Im schlimmsten Falle geht mein Handy eben leer und ich kann nicht mehr auf die Uhr schauen auf dem Flug. Oder Bilder machen, aber die einzige Kamera hab ich nicht, also auch kein Beinbruch.

Von Bielefeld aus soll mich ein ICE nach Köln bringen, von da aus ist vorhergesehen dass ich einen IC nach Mainz nehme und von da dann noch einen IC nach Frankfurt Flughafen. Geplante Ankunftszeit: 15.15Uhr. Warum ich den Konjunktiv so betone: Ich kenne die Bahn. Irgendwas hat da immer Verspätung, und ich habe extra drei Stunden Zeitpuffer eingeplant. Um 20.00 Uhr soll das Flugzeug starten, zwei Stunden vorher soll man da sein. Da kann also schonmal nichts schiefgehen.

Außer – die Bahn. Kurz vor Köln die Durchsage: Der Anschlusszug in Köln hat über 30 Minuten Verspätung. Je nachdem wohin man möchte, gibt es wirre durchsagen. Ich frage einen  Zugbegleiter: Ich solle doch einfach schon in Köln Messe Deutz in den nächsten ICE auf Gleis 11 umsteigen, der bringt mich auch hin. Okidoki!, denke ich mir, ICE klingt schnell. Und ist es auch: ich war über eine Stunde zu früh da. Cool. Zum Glück Oma und Opa sowie meine beiden Onkels, die zur Verabschiedung mitgefahren sind, auch schon. Der Rest trudelt etwa eine Stunde später ein. Nach einer weiteren Stunde dürfen wir unser Gepäck aufgeben und haben Zeit, uns am Flughafen zu vergnügen. Zu fünft ist das sogar nichtmal schlimm. Immer darauf achten, dass alle Schäfchen zusammenbleiben. Das beschäftigt schon gut.

Ach ja, und Roman wurde bei der Handgepäckkontrolle nochmal rausgezogen und durfte aufmachen: Da sähe was aus wie Flüssigkeit. Nachher war es Marzipan. Ich glaube ja, sie haben Flüssigkeit gesagt, meinten aber Sprengstoff. Passt viel besser zur Form und Konsistenz. Ich habe übrigens vergessen meine Kontaktlinsen (stimmt, da ist Flüssigkeit drin), in den durchsichtigen Beutel zu packen. Da hat keiner gemeckert.

Und als wir dann unser Gate gefunden hatten, da sahen wir ihn endlich. Den fliegenden Teppich.

Der Rote Teppich

Ich muss ehrlich gestehen: Ob das unter seinem Namen aufgemahlte Zähne darstellen sollen oder ob das Kratzer oder Hebel waren, war durchaus Gegenstand unserer Diskussion, aber wir werden es vielleicht nie mit Gewissheit sagen können.

Zwölf Stunden in einem Flieger ohne nennenswerte Beinfreiheit eingesperrt zu sein, ist anstrengend. Immerhin war ich am Fenster.

Fenster

Und es gab eine wirklich große Auswahl an Filmen, Musik, Fernsehsendern und so weiter. Es gab auch zwei Kameras, die den Blick nach unten oder vorne zeigten. Im Dunkeln und überm Meer nur leider eher uninteressant. Und man konnte die Flugroute verfolgen.

Flugroute

Sogar das Essen war OK. Nur dass wir bis um zehn warten mussten, da es vorher zu turbulent war und die Crew nichts austeilen durfte. An Schlafen im eigentlichen Sinne war leider auch nicht wirklich zu denken. Aber immerhin hat die Crew dafür gesorgt, dass man so oft Wasser bekommen hat wie man wollte (habe da auch schon anderes erlebt).

Nach dem Frühstück am nächsten „Morgen“ – Ortszeit Sao Paulo irgendwas um 5 Uhr früh, was etwa 8 Uhr deutscher Zeit entspricht – konnten wir es kaum erwarten, endlich unseren roten Teppich verlassen zu dürfen. So ein Transit-Terminal am frühen Morgen ist jedoch auch keine spannende Sache, weshalb wir die zwei Stunden Umstiegszeit so verbrachten:

Warten

Da fanden wir heraus, dass auch andere Flugzeuge der Flotte von TAM, der brasilianischen Airlines, als Teppiche gelten.

Der zweite Teppich

Weitere acht Stunden später (nach ungefähr zwei Stunden warten, vier Stunden Flug und zwei Stunden Rumgehampel bei der Einreise nach Chile wegen fehlendem Durchschlag bei Dokumenten, Zollbeamtinnen die sich anstellen und plötzlich nichtmal mehr Englisch verstehen, ewigen Warteschlangen), stehen wir alle müde auf chilenischem Boden. Und tatsächlich: Daniela wartet schon auf uns und empfängt uns mit Blumen direkt am Flughafen, zusammen mit ihrer Mutter, die wir jetzt das erste Mal treffen. Die (Wiedersehens-) Freude ist riesig, vor allem natürlich für Daniela und meinen Bruder, die sich über zwei Monate nicht gesehen haben.
Nach kurzem Überlegen verhandelt Daniela mit einem Taxifahrer so weit, dass er uns alle zusammen für einen annehmbaren Preis direkt zum Hotel fährt, da die Metro defekt ist und Bus fahren plus 6 Straßenblocks laufen nicht mehr ganz so das ist, was wir heute wollen.

Hier noch ein Bild von dem kleinen Appartment, in dem wir jetzt erstmal wohnen. Und natürlich auch von uns Müden Reisenden:

(von links nach rechts: Oma, Roman, Daniela, Rosa – Danielas Mutter, Opa. Wer fehlt: Ich und Mama, aber eine musste fotografieren und die andere war zu müde ins Bild zu laufen. Ein komplettes Gruppenbild holen wir aber noch nach)

Die Reisenden

Das Fazit des ganzen kann ich euch aber nicht verschweigen: Ich brauche einen anderen Weckton. Donnergrollen ist vielleicht doch nicht ganz das Wahre. Vielleicht ab jetzt Vogelgezwitscher?

Ein Wort zum Anfang

Hallo ihr Lieben!

Hier wird in den nächsten Wochen ein Reisetagebucht entstehen, in dem ich über die Erlebnisse meiner Chile-Reise berichten möchte.

Zuerst einmal stelle ich mich selbst vor: Ich bin Franzi, inzwischen 26 Jahre, ich studiere und arbeite und bestreite einen ganz normalen Alltag und wohne in einer winzigen kleinen Wohnküche von 18m² Fläche.

Warum reise ich nach Chile? Um – zusammen mit einem Teil meiner Familie – die Heimat meiner Schwägerin kennen zu lernen. Und weil ich gerne reise. Und weil ich noch nicht in Südamerika war. Und… naja, gibt bestimmt noch tausend gute Gründe. Aber die sind im Grunde egal. Wir fliegen. Meine Mama Patricia, mein Bruder Roman, meine Oma Gisela und mein Opa Franz – und ich. Daniela, meine Schwägerin, ist schon da und erwartet uns.

Start ist am Freitag, 14. November 2014 ab Frankfurt. Erste (für mich) spannende Fragen: Wird mein Zug fahren? Oder wird die Bahn wieder streiken und ich muss gucken wie ich rechtzeitig hinkomme? Und wird der Ersatzakku für mein Handy rechtzeitig da sein? Den habe ich nämlich leider erst heute bestellt, und der muss aus den UK geliefert werden. Voraussichtliches Lieferdatum: Freitag, 14. November. Mein freundlicher DHL-Bote kommt normalerweise so um 10. Ich sollte spätestens um 10.20 Uhr das Haus verlassen. Oh bitte, liebes Amazon, liefere doch schneller…

Ansonsten wäre da noch: Ich habe noch nicht gepackt. Aber das werde ich auch wahrscheinlich erst Donnerstag machen. Diese Reise wird, wo wir schon von Gepäck sprechen, einige „Erste Male“ mit sich bringen. Zum Beispiel: Ich werde das erste Mal ohne „papierene Unterhaltung“, sprich gedruckte Bücher, reisen. Ein Novum! Ich habe extra von meinem besten Freund einen Kindle ausgeliehen bekommen, denn ganz ohne geht ja auch nicht.

Jetzt versuche ich mich auf möglichst viele Details zu freuen. Auf den Flug – ich liebe das Gefühl beim Start, in den Sitz gepresst zu werden und diesen damit einhergehenden wohligen Schauer, der mir beweist, dass es jetzt endlich und tatsächlich los geht, und dass nicht alles nur ein Traum ist. Und ich freue mich auf die Wärme in Chile. Und natürlich freue ich mich auf das wichtigste: Auf meine Familie. Alles in Allem: die Spannung und Vorfreude wächst mit jedem Tag.